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Maulwurf

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Südwest Presse Ulm 16. Juni 2018



Bürgermelster Danlel Salemi (rechts) und die Gemeinderatsmitglieder waren beeindruckt von der Stadtbegehung. Helga Mack (CDU) ließ sich von Roland Riedlinger (GUL) schwungvoll eine Rampe bei der Metzgerel Holz hochschieben.

Segen und Fluch zugleich
Mobilität Blinde und körperlich behinderte Menschen haben unterschiedlich Kompromiss ist möglich, zeigt eine Stadtbegehung. Der Bürgermeister signalisiert Unterstützung. Burgermeister Daniel Salemi ist nach fast zwei Stunden beeindruckt: „Vielen Dank, dass wir einen Blick in Ihre Welt nehmen durften“, sagt er und verspricht, dass die Stadt bei Neubau-Maßnahmen auf die Belange der Bürger mit Behinderung achten wolle. „Auch bei den Hauptverkehrswegen werden wir was tun.“ Etwa taktile Leitstreifen am Boden anbringen und „Auswaschungen“ am Randstein „wieder hoch holen“. Geschärft hat seinen Blick eine Stadtbegehung mit sehbehinderten und körperlich eingeschränkten Menschen sowie Gemeinderatsmitgliedern. „Darauf haben wir seit 2011 gewartet“, erklärt Thomas Geltinger von der Initiative „Blickwinkel Inklusion“. Er und seine Mitstreiter sind dankbar, dass sich Politik und Verwaltung ihrer Probleme annehmen.

Unterschledliche Anforderungen
Und die unterscheiden sich, wie Gertrud Vaas, Bezirksgruppenleiterin Alb-Donau-Riss im Blinden- und Sehbehindertenverband Württemberg, weiß. Komplett abgesenkte Bordsteine seien für Rollstuhlfahrer ein Segen, für Sehbehinderte ein Fluch. „Wir brauchen die Kanten zur Orientierung“, erklärt die Frau, die seit 35 Jahren nichts mehr sieht. Sonst stehe ein Blinder plötzlich auf der Straße, ohne es zu merken. Einen Kompromiss-Vorschlag hat Mobilitätstrainer Stephan Drechsel (siehe Infokasten): Der Bordstein könne auf einer Breite von einem Meter komplett abgesenkt werden, wenn davor Bodenindikatoren eingebaut werden. Taktile Leitlinien wären laut Drechsel auch an der Rathaus-Ampel sinnvoll. Ansonsten gehe ein Blinder schlichtweg an der Ampel vorbei. Neu-Ulm sei da vorbildlich. Drechsel: „Kleine Kommunen bauen hingegen meist so, wie sie denken, dass es passt.“

An der Rathaus-Ampel in Langenau setzt sich der Tross Richtung Bahnhof in Bewegung und merkt kurz darauf, dass gut gemeint nicht immer gut gemacht ist. Beispiel: die Rampe der Metzgerei Holz. „Ganz schön steil“, sagt Vaas. Das erlebt Helga Mack (CDU), die sich im Rollstuhl vom Ratskollegen Roland Riedlinger (GUL) nach oben schieben lässt - was anstrengend aussieht. „Es ist ein sehr beklemmendes Gefühl in einem Rollstuhl“, sagt Mack.

Etwa dann, wenn eine Regenrinne in der Bahnhofstraße zum unüberwindbaren Hindernis wird.

Auch der Rathauschef schnuppert in die Welt der behinderten Menschen: Mal schiebt er einen Rollator, mal tastet er sich per Blindenstock voran. Im öffentlichen Raum, sagt er, müsse die Stadt tätig werden - anders als auf Privatgelände. Wie im steinigen Biergarten am Bahnhof, in den Rollstuhlfahrer nur mit Mühe kommen. Wirt Ibrahim „Hans“ Oguz verspricht, einen Teil der Fläche zu befestigen.

Das nimmt Geltinger wohlwollend zur Kenntnis. Deutschland sei „ein Entwicklungsland“ was Barrierefreiheit angeht. Doch Langenau habe schon viel getan: „Rathaus, Pfleghof, Gesundheitszentrum - alle haben einen Aufzug.“ Auch Geschäfte machten sich Gedanken. Einzig: „Es gibt Berührungsängste.“ Gesunde wollten aus Scham nicht fragen - und behinderte Menschen seien meist introvertiert. Nun hofft Geltinger, dass die Begehung in Verbesserungen mündet - und auch Sehbehinderte profitieren.

Foto: Oliver Haider

Freiberuflicher Mobilitätstrainer

Job Stephan Drechsel aus Herbrechtingen Ist freiberuflicher Mobilitätstrainer. Er hat eigenen Angaben zufolge derzeit zwei Klienten In Langenau: einen 15-Jährigen Jugendlichen und eine Senlorin um die 70. Meist kümmere er sich 40 bis 60 Stunden um blinde und sehbehinderte Menschen, bis diese sich dann alleine zurecht fänden. Weitere Informationen gibt es unter www.rehalehrer.de.



15. Juli 2020, Uhr Langenau
Von Oliver Haider

Verkehr in Langenau - Mehr Sicherheit für Blinde und Sehbehinderte

In Langenau werden in der Innenstadt derzeit Leitlinien am Boden angebracht – sehr zur Freude der Initiative Blickwinkel Inklusion und eines Mobilitätstrainers.

Leitlinien sollen Blinden und Sehbehinderten in Langenau das Leben erleichtern – unter anderem an der Ampel am Lohplatz.
Ampel
© Foto: Oliver Haider

Gerd Bühler und Gertrud Vaas bei einem Vor-Ort-Termin im Februar in der Nau­stadt.
Taktile Leitlinien
© Foto: Karin Mitschang

Thomas Geltinger ist erfreut: „Es bewegt mich sehr, dass die Boden-Markierungen angebracht wurden“, erzählt der Sprecher der Initiative Blickwinkel Inklusion. Denn: Leitlinien „erleichtern die Teilhabe erheblich“. Und Betroffene spürten dadurch: „Wir gehören auch dazu“, sagt Geltinger. Vor kurzem wurden „taktile Thermo-Elemente“ am Lohplatz und an der Sonnenstraße angebracht. Weitere sollen an der Leonhardskirche folgen.

Wie berichtet, hatte es nach einer Begehung vor rund zwei Jahren (siehe Infokasten) im vergangenen Februar einen Vor-Ort-Termin von Bauamtsleiter Gerd Bühler samt Mitarbeitern mit Gertrud Vaas gegeben. Die blinde Bezirksgruppenleiterin Alb-Donau-Riss des Blinden- und Sehbehindertenverbands Württemberg half dabei, zu verstehen, wie Noppen und Rillen am sinnvollsten an Straßen-Übergängen und Ampel-Anlagen anzubringen sind. Damit sollen Sehbehinderte und Blinde per Stock ertasten können, wo der Übergang ist und wie der Weg zur Signal-Taste verläuft.

Mobilitätstrainer Stephan Drechsel freut sich über die Blinden-Einrichtung

Einer, der für die Sehbehinderten und Blinden den Durchblick behält, ist der freiberufliche Mobilitätstrainer Stephan Drechsel aus Herbrechtingen. Zwar hat er selbst die Installationen noch nicht gesehen. Er freue sich aber über die Blinden-Einrichtung an den Ampeln, sagt er. Diese sei gerade im Hinblick auf einen jungen Mann wichtig, mit dem Drechsel an der Hindenburgstraße arbeitet. Dort die Straße zu überqueren, sei „schwierig und gefährlich“.

Laut Drechsel erspart die neue Einrichtung dem jungen Mann auch peinliche Situationen. Musste dieser sich doch bisher bücken und sein Auge direkt auf den Kasten der Bedarfsampel legen. Solange dort das Licht leuchtete („Signal kommt“), war auf der anderen Seite noch Rot. Beim Erlöschen des Lichts konnte er die Straße dann queren.

Für eine blinde Frau war bisher nur eine Seite Langenaus zugänglich

Vor drei Jahren arbeitete Drechsel auch mit einer blinden Frau am Marktplatz. Für sie war nur jene Seite Langenaus zugänglich, auf der sich die Sparkasse befindet. Jenseits der Straße ist sie trotz des Trainings nicht selbständig gekommen. Und das nur, weil die Ampel keine Blinden-Einrichtung hatte.

Sobald Drechsel wieder in der Stadt ist, will er sich die Leitlinien anschauen. „Was ich mir für Langenau noch wünsche beziehungsweise was zur Einhaltung der Din-Norm für Barrierefreiheit notwendig ist, ist, dass alle vollständig abgesenkten Bordsteinkanten durch ein taktil wahrnehmbares Sperr-Feld gekennzeichnet werden“, sagt Drechsel. An der Hindenburgstraße sei dies zum Beispiel durch die Regenrinne erledigt worden. Aber an einigen Querungsstellen gehen Blinde laut dem Mobilitätstrainer auf die Fahrbahn, ohne dies zu bemerken. „Eine quer verlegte Rillenplatte würde dies verhindern.“

Sperr-Felder an Null-Absenkungen und Blinden-Einrichtungen an Ampeln sind besonders wichtig

Das wäre dann auch das wichtigste Element für die Sicherheit von blinden Menschen. Alles weitere, was man der Norm für Barrierefreiheit entnehmen könne – Aufmerksamkeitsfelder an gesicherten Übergängen, Leitsysteme an Haltestellen – seien sicherlich auch „gut und wichtig“. Jedoch seien sie „nicht in dem Maße sicherheitsrelevant wie Sperr-Felder an Null-Absenkungen und Blinden-Einrichtungen an Ampeln“.

Geltinger und Drechsel sind jedenfalls dankbar dafür, dass die Stadt nun in die Sicherheit der Blinden und Sehbehinderten investiert. Das nächste Projekt – „Kasseler Borde“ für einen barrierefreien Zustieg in Bus und Bahn – soll im kommenden Jahr umgesetzt werden.

Euro-Zylinderschloss für rollstuhlgerechte Toilette im Bahnhof

Ferner soll eine rollstuhlgerechte Toilette im Bahnhofsgebäude ein Euro-Zylinderschloss erhalten. Dabei handelt es sich um ein europaweit einheitliches Schließsystem für behindertengerechte Anlagen. Diese Einrichtungen kann jeder, der im Besitz eines Euroschlüssels ist, betreten und nutzen.

Nach Angaben von Sandra Frommeyer-Fülle vom städtischen Bereich Ordnung und Sicherheit ist die Toilette derzeit „von außen geschlossen“, weil sie von der Gaststätte genutzt werde. Dem Pächter sei es „momentan nicht zuzumuten“, die Toilette nach den Hygiene-Vorschriften der Corona-Verordnung, außerhalb des Gaststätten-Betriebes, zu desinfizieren. Das Bauamt ermittele indes die Kosten für eine Umrüstung.

Barrierefreies Internet und Transportscheine als weitere Ziele

Zu guter Letzt schweben Thomas Geltinger noch ein barrierefreies Internet sowie Transportscheine vor. Die Ziele scheinen ihm und der Initiative Blickwinkel Inklusion also vorerst nicht auszugehen.

Stadt investiert 600 bis 800 Euro pro Ampel

Kosten Die Stadt Langenau investiert für die „taktilen Thermo-Elemente“ etwa 600 bis 800 Euro pro Ampel inklusive Arbeitszeit. Die Maßnahme geht zurück auf eine Ortsbegehung von Vertretern der Initiative Blickwinkel Inklusion mit der Stadtverwaltung und Mitgliedern des Gemeinderats vor rund zwei Jahren. Damals war besprochen worden, wie Behinderten der Alltag erleichtert werden kann.



28. Mai 2020

Friedhof Langenau
Die Musterfläche auf dem Friedhof kommt beim Vor-Ort-Termin gut an. Foto: Oliver Haider

Barrierefreie Wege

Friedhöfe Insgesamt 70 000 Euro wird die Stadt dieses und nächstes Jahr in Langenau und Albeck investieren. Von Oliver Haider

Der Ausschuss für Technikund Umwelt (ATU) hat einstimmig beschlossen, die Hauptwege auf zwei Friedhöfen zu ertüchtigen. Jenein Albeck sollen dieses Jahr ein Schotter-Brechsand-Gemisch bekommen, jene in Langenau 2021. Kosten wird das laut Bauamtsleiter Gerd Bühler in Langenau auf 745 Quadratmetern Fläche 43 000 Euro, in Albeck auf 460 Quadratmetern 27 000 Euro.

Bei einem Vor-Ort-Termin vor der Sitzung im Rathaus hatte Bühler auf dem Friedhof die Vorteile des Belags an einer Musterfläche erläutert. Diese Befestigung sei nicht starr, bestehe nur aus umweltfreundlichen Materialien. Die wassergebundene Decke füge sich auch besser in die Umgebung ein als Asphalt und Beton-Pflaster, die auf dem Vorplatz der Aussegnungshalle „kaum machbar“ seien wegen der Baumwurzeln. Zudem kosteten die Maßnahmen so insgesamt 70 000 Euro, bei Asphalt wären es 105 000 und bei Pflaster gar 125 000 Euro.

„Alle waren angetan“

Bürgermeister Daniel Salemi sprach von einer „sehr guten Lösung“. Thomas Geltinger von der Initiative Blickwinkel Inklusion lobte ebenfalls mit Blick auf einen ersten Test: Fußgänger, Menschen mit Rollator und Rollstuhl-Fahrer - „alle waren angetan“. Was wichtig ist, weil es zuvorderst bei der Maßnahme um Barrierefreiheit geht. Die Ausschussmitglieder signalisierten, begleitet von wenigen kritischen Nachfragen, Zustimmung. Markus Hagenmaier (CDU) betonte, dass das

Thema in Albeck oft angesprochen werde. Was wiederum Wolfgang Haide (FWG) zu dem Vorschlag brachte, mit Albeck zu beginnen, um „ein bisschen Frieden zu stiften“. Eine Idee, die das Gremium goutierte, auch wenn damit im Haushalt 2020 mehr als die eingeplanten 20 000 Euro ausgegeben werden müssen. Rainer Hinkelmann (SPD) wollte daher sichergestellt haben, dass die Arbeiten in Langenau nicht den Haushaltsberatungen zum Opfer fallen. Das drohe nicht, meinte Salemi, da die Mehrheit des Gemeinderats ja im ATU sitze.

Bühler rechnet damit, dass es in Albeck vor der Sommerpause losgehen könnte. Vier bis fünf Tage dürften die Arbeiten dauern, wofür die Wege, die auch noch austrocknen müssen, gesperrt werden.



8.Februar 2020

Orientierung für Blinde in Langenau

Sicherheit Im Frühjahr werden Thermoelemente an Ampelanlagen verlegt. Die Stadt hat sich dazu Beratung geholt.

Langenau. "Hier kommt eine Wand", sagte Gertrud Vaas, die das Hindernis allein am Hören bemerkte. Die blinde Bezirksgruppenleiterin Alb-Donau-Riss des Blinden- und Sehbehindertenverbands Württemberg verblüffte mit ihren geschärften Sinnen am Mittwoch den Langenauer Bauhofleiter Gerd Bühler und seine Mitarbeiter. Beim Vor-Ort Termin half die Neu-Ulmerin ihnen zu verstehen, wie die Noppen und Rillen am sinnvollsten an Langenauer Straßenübergängen und Ampelanlagen anzubringen sind. So sollen Sehbehinderte und Blinde per Stock ertasten können, wo der Übergang ist und wie der Weg zur Signaltaste verläuft.

"Wir beginnen im Frühjahr bei entsprechenden Temperaturen am Lohplatz, an der Sonnenstraße und an der Leonhardskirche, diese Elemente anzubringen und zu testen." Walter Elser vom Bauhof zeigte sich etwas skeptisch, ob die taktilen Elemente nicht hinterher vom Winterdienst beschädigt würden, sobald sie auf dem Pflaster aufgebracht sind. Doch Bühler zeigte sich zuversichtlich: "Wir haben sehr gute Erfahrungen mit der Thermoplastik dieser Firma im Industriegebiet gemacht, wo sie durch die Laster wirklich stark beansprucht wird."
600 bis 800 Euro investiert die Stadt inklusive Arbeitszeit pro Ampel, um die vor gut eineinhalb Jahren bei der Ortsbegehung mit der Gruppe Blickwinkel Inklusion beschlossene Änderung umzusetzen. Außerdem werden im Frühjahr 20 000 Euro für 54 Piktogramme für Straßen der Stadt und der Teilorte ausgegeben: "Vorsicht, Kinder" und "Zone 30" heißen sie, hinzu kommen Markierungen, die "rechts vor links" verdeutlichen. Dies hatten zuständige Gemeinderatsausschüsse beschlossen. Karin Mitschang


Gertrud Vaas begutachtet mit Gerd Bühler taktile Thermoelemente. Foto: Karin Mitschang

Südwest Presse Ulm 23. Juni 2017 S. 28

BUS UND BAHN FAHREN ALS MENSCH MIT BEHINDERUNG - EIN TEST

Ein Trip mit Hindernissen im Öffentlichen Nahverkehr

Barrierefreiheit Spontan mit dem Bus nach Ulm fahren? Thomas Geltinger ist skeptisch.
Der 56-Jährige ist auf den Rollstuhl angewiesen. Von Barbara Hinzpeter
"Ich bin gespannt, ob wir das bis heute Abend schaffen", sagt Thomas Geltinger und lacht. Wieso heute Abend? Es ist noch heller Vormittag. Die verblüffte Reaktion amüsiert ihn - nach einer Verabredung zu einem „spontanen“ Ausflug nach Ulm. Auf gut Glück geht es zur Bushaltestelle in der Bahnhofstraße. Die Tabelle mit den Abfahrtszeiten hängt hoch. Aus der normalen Sitzperspektive wäre sie nicht zu lesen.

Geltinger drückt einen Knopf, der Rollstuhl wird höher. „Es gibt schon gute Hilfsmittel“, sagt der gelernte Krankenpfleger. „Aber man muss sie kennen und braucht einen langen Atem, um sie finanziert zu bekommen.“ Um 12.47 Uhr, so der Anschlag, kommt der nächste 59er. Auch das „S“ fällt noch auf: Der Bus fährt nur an Schultagen. Doch in der nächsten Zeile ist einer mit „F“ für „schulfreie Zeit“ aufgeführt, Abfahrtszeit zwei Minuten später. Passagiere wie Bus sind pünktlich. „Nein“, so gibt der Fahrer freundlich Auskunft, eine Rampe habe das Fahrzeug nicht. Außerdem bringe der Bus die Passagiere in den Ferien nur bis zum Bahnhof.

Also mit dem Zug. Unterwegs zur nahe gelegenen Station stellt Geltinger erfreut fest: Beim „Jägerhaus“ sind Bauarbeiten im Gang. Der Randstein wird in der Kurve abgesenkt. Erst vor wenigen Tagen hat der Rollstuhlfahrer die Problemstelle - zum wiederholten Male - bei der Bürgerfragestunde im Gemeinderat angesprochen. Menschen mit Handicap bleibe nichts anderes übrig, als ständig auf die Schwierigkeiten aufmerksam zu machen, sagt der gebürtige Neu-Ulmer.

Seit sieben Jahren lebt Geltinger in Langenau und hat mit einigen Mitstreitern schon viele Verbesserungen angeregt und auch erreicht. „Menschen ohne Behinderung nehmen die Probleme ja nicht wahr.“ Deshalb wäre es seiner Ansicht nach sinnvoll, bei Planungen auch Bürger mit Handicap einzubeziehen. Dass es dabei auch zu Konflikten kommen kann, macht Geltinger am Beispiel der Randsteine auf dem Weg zum Bahnhof deutlich: Sie sind zwar abgesenkt, aber nicht eben mit der Straße. Für den Elektrorolli mit seinen breiten „Traktorreifen“, wie er sie nennt, kein Hindernis, für leichtere aber schon.




Stationen der Reise von Thomas Geltinger mit Bus und Bahn von Langenau nach Ulm - eine Fahrt mit Hindernissen und freundlichem Personal. Am Ende ging’s dann doch.
© SÜDWEST PRESSE / Barbara Hinzpeter
Fotos: Barbara Hinzpeter

Optimal dagegen ist der Überweg direkt vor dem Bahnhof für alles, was Räder hat. Aber er entspreche nicht der EU-Norm für barrierefreie Übergänge. Die fordere im Interesse der Sehbehinderten einen drei Zentimeter hohen Absatz. „Ich weiß, dass man es nicht allen recht machen kann“, sagt Geltinger. Er wünsche sich, dass die unterschiedlichen Gruppen nicht gegeneinander, sondern miteinander schaffen. Das ist auch ein Anliegen der neuen Initiative „Blickwinkel Inklusion“, die er jetzt zusammen mit Gleichgesinnten ins Leben gerufen hat.

Unterdessen ist er am Bahnhof angelangt. Vorbildlich barrierefrei mit einem Aufzug, über den Gleis 2 bequem zu erreichen ist. Für Menschen mit viel und schwerem Gepäck, Reisende mit Rollatoren, Kinderwagen oder Rollstuhl. Für spontan Reisende allerdings ist am Gleis Endstation: Zwischen dem Zug und dem Bahnsteig klafft ein Graben - ebenso unüberwindbar wie die Treppen zum Zug. Eine telefonische Anfrage beim Serviceportal für Reisende mit Handicap ergibt: Damit die Mitnahme eines Elektrorollstuhls problemlos möglich ist, sollte die Fahrt schon bis zum Vorabend angemeldet werden. Also ein weiterer Test in den nächsten Tagen (siehe nebenstehenden Bericht) und eine weitere Verabredung für einen neuen Ausflugsversuch mit dem Bus am Nachmittag. Mit leichter Verspätung trifft der Linienbus an der Haltestelle ein. Obwohl Geltinger für eine weitere Verzögerung sorgen wird, bleibt Fahrer Gergö Kozik gelassen. Er steigt sofort aus und klappt die Einstiegshilfe herunter. Thomas Geltinger kann’s wenig später kaum fassen, „dass ich jetzt wirklich im Bus sitze“.

Vom Bussteig in der Schillerstraße kann Geltinger recht bequem Richtung Innenstadt rollen, woeersich am Abend zum Stammtisch für MS-Kranke trifft. Unterwegs fällt auf, wie viele Menschen in der Stadt mit Rollstuhl oder Gehhilfen unterwegs sind. „Wir sind eine ziemlich große Randgruppe“, sagt Geltinger. Er ist überzeugt: „Inklusion beginnt im Kopf.“ Zwar habe sich schon viel getan, aber es werde noch einige Zeit dauern, bis Menschen mit Handicap ebenso selbstverständlich reisen können wie Menschen ohne Einschränkung.

Langenau. Am Abend ist alles in Butter: Die Bahnfahrt mit dem E-Rolli ist - wie empfohlen - am Tag zuvor telefonisch angemeldet und per E-Mail bestätigt. Doch Thomas Geltinger hat Zweifel. Er stolpert über Formulierungen wie „Hublift nein“ und „Rollstuhlstellplatz nein“ in der elektronischen Nachricht. Um 19.39 Uhr fragt er höflich per E-Mail bei der Mobilitätsservicezentrale nach, was das bedeutet. Um 19.49 Uhr erreicht ihn eine Nachricht, dass seine Reise storniert sei.

Für den 56-Jährigen steht damit fest: Alles ist wie immer, die Fahrt ist geplatzt. Trotzdem lässt er sich auf einen weiteren Versuch ein - auf einen erneuten Anrufbei der Mobilitätszentrale am nächsten Morgen. Der Mitarbeiter dort macht den Verursacher sofort aus: ein Softwarefehler. „Wenn wir etwas falsch eingeben, bekommt der Fahrgast automatisch die Nachricht, dass die Anmeldung storniert sei“, erklärt er. Das sei eine Falschmeldung, so etwas passiere öfter, bedauert der Mitarbeiter der Servicezentrale. „Sie sind nicht der Einzige, den das verwirrt.“ Die Reise könne jedoch getrost angetreten werden.

Ungläubig schüttelt Thomas Geltinger den Kopf, ist aber bereit, den Test fortzusetzen. Die Spannung steigt, als der Zug in den Langenauer Bahnhof einfährt. Die Türen öffnen und schließen sich. Es sieht eindeutig so aus, als werde der Zug gleich ohne den Rolli weiterfahren. Doch dann erscheinen zwei Mitarbeiterinnen der Bahn an der wieder geöffneten Waggontür und legen eine Rampe an. Von einer angemeldeten Fahrt habe sie nichts gewusst, sagt die junge Zugbegleiterin. Auch die Lokführerin sei nicht vorbereitet gewesen, sondern habe gehandelt, als sie den Rollstuhl am Bahnsteig sah.

Wie sich dann herausstellt, hatte die Zentrale die Bediensteten so kurzfristig benachrichtigt, dass die nichts davon wussten. Letztlich war es ihrer spontanen Hilfsbereitschaft zu verdanken, dass Thomas Geltinger tatsächlich an diesem Tag „zum ersten Mal seit 2010“ mit der Bahn von Langenau nach Ulm fahren konnte. Fast alle Regionalzüge auf der Strecke könnten über eine Rampe erreicht werden, erklärt die Zugbegleiterin. Nur noch wenige alte Ersatzfahrzeuge seien dafür nicht geeignet. Thomas Geltinger hört es gerne. Jetzt muss halt nur noch die Software in der Zentrale zum Laufen gebracht werden - oder der Langenauer wird wieder spontan zum Bahnhof rollen und sein Glück versuchen.


In Langenau ist jetzt auch die SWEG zuständig und somit gibts hier keine großen Probleme mehr mit der Bahn.
bwegt - Mobilität für Baden-Württemberg